Die vornehmliche Gefahr für Whole Foods Überlegenheit im Segment der Naturprodukte kommt paradoxerweise nicht von direkten Konkurrenten wie Sprouts oder Natural Grocers. Ursächlich dafür ist der etablierte Lebensmitteleinzelhändler Kroger. Mit der im Jahr 2012 lancierten Marke Simple Truth gelang ihnen ein echter Coup, der einen jährlichen Umsatz von weit mehr als zwei Milliarden US-Dollar generiert. Zum Vergleich: Dies entspricht mehr als einem Drittel des Gesamtumsatzes der gesamten Ladenkette Sprout und übertrifft den Umsatz von Natural Grocers sogar um das doppelte.
Wie hat Kroger das geschafft? Sie haben drei kluge Entscheidungen getroffen. Erstens: Sie haben eine völlig unabhängige Markenfamilie kreiert, losgelöst von etablierten Handelsmarken oder ihrem eigenen Namen. Zweitens: Sie haben Bio-Produkte (im Falle von Simple Truth Organic) und Produkte ohne Zusatzstoffe (Simple Truth) auf den Markt gebracht, die teurer sind als ihre Eigenmarken und zugleich weitaus renommiertere Marken. Drittens: Sie haben diese Produkte behutsam und mit Weitblick eingeführt, state-of-the-art im Bereich Naturkost. Kaufte man früher die Grundnahrungsmittel bei Kroger und musste für Bio-Sellerie oder Erdnussbutter zu Whole Foods wechseln, ist nun ein Besuch bei Kroger ausreichend. Ein genialer Schachzug.
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Aber da liegt ein Haken: ich befürchte, dass die Verpackung der Markenprämisse nicht gerecht wird. In meiner Vorratskammer entdeckte ich eine Packung Nährhefegewürz. Ganz unten in der Mauschrift auf der Rückseite des Beutels fand ich, dass dieses Produkt frei von über 101 künstlichen Konservierungsstoffen und Inhaltsstoffen ist. Allerdings konnte auf der Simple Truth Webseite keine Informationen zu den fehlenden Zusatzstoffen in diesem oder anderen Simple Truth Produkten finden.
Die Produktverpackung führte mich allerdings auf die Recycling-Seite von Simple Truth. Dort las ich, dass Kroger die Plastikverpackungen ihrer Marken in Spielplätze umwandelt. Aber um das Recyclingprogramm in Anspruch zu nehmen, musste ich mich auf der Kroger TerraCycle Webseite registrieren und brauchte einiges an Mühe um meine gebrauchten Beutel zu verpacken und abzusenden.
Ich musste außerdem erfahren, dass die Registrierung nicht garantiert funktioniert und ich auf eine Warteliste gesetzt werden könnte, wenn das Programm ausgebucht ist. Mein spezielles Nährhefeprodukt wurde zudem weder abgebildet noch innerhalb des Programms aufgeführt.
Große Frage: Wie werden die Verbraucher reagieren?
Wie würde ein durchschnittlicher bewusst konsumierender Kunde reagieren, wenn er verwirrt und frustriert ist, so wie ich? Aus meiner Sicht wird die „Einfache Wahrheit“, wie der Markenname übersetzt heißt, vermutlich dazu führen, dass ich den leeren Beutel einfach in den Müll werfe. Ansonsten würde er wahrscheinlich nur meinen Heim-Recyclingkreislauf verunreinigen. Ich werde bestimmt nicht meine Zeit und Energie aufwenden, um diese leichtgewichtigen Beutel an TerraCycle zu senden. Denn unterm Strich werden sie damit wahrscheinlich ähnlich wie ich verfahren – und vielleicht nehmen sie mich ja nicht einmal in ihr Programm auf.
Die Botschaft an dieser Stelle lautet: Stellen Sie sicher, dass die Nachhaltigkeitsmitteilungen, die Ihre Verpackung den Konsumenten direkt oder indirekt übermittelt, mit Ihrer Marktpositionierung, Ihrer Botschaft und Ihrer Geschichte konform gehen. Das ist die einfache und auch nachhaltige Wahrheit.
Robert (Bob) Lilienfeld beschäftigt sich seit einem viertel Jahrhundert mit nachhaltigen Verpackungen und arbeitet in verschiedenen Bereichen wie Marketing, strategische Planung, Redaktion und Kommunikation. Er ist Präsident von Robert Lilienfeld Consulting und arbeitet dabei mit Materiallieferanten, Verarbeitern, Handelsverbänden, Einzelhändlern und Markeninhabern zusammen. Darüber hinaus hat er eine Position als Geschäftsführer des F&E Netzwerkes FRÜHLING, dessen Schwerpunkt auf nachhaltiger Verpackung liegt. Sie können ihn auch durch E-Mail kontaktieren oder sein LinkedIn-Profil besuchen.